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Kündigung bei unrechtmäßiger Buchung von Kundenbonuspunkten

Dienstag, April 24th, 2012

Zwei Entscheidungen zur Berechtigung von Kündigungen bei unrechtmäßiger Buchung von Kundenbonuspunkten hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt gefällt.

Der erste Fall (Urteil vom 11. Dezember 2008, 9 Sa 1075/08) betraf eine 50 Jahre alte Kassiererin eines Kaufhauses, die dort bereits seit 20 Jahren beschäftigt war. Sie buchte über einen Zeitraum von 13 Monaten unberechtigt Bonuspunkte für Kundeneinkäufe im Wert von über 20.000,- € auf ihre eigene Bonuskarte und noch einmal rund 13.000,- € auf die ihrer Tochter. Das Unternehmen kündigte nach Aufdeckung der Vorwürfe das Arbeitsverhältnis fristlos.

Das LAG wies die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin ab. Es sah ein widerrechtliches Handeln zum Nachteil des Arbeitgebers, der das System zum Zweck der Kundenbindung eingerichtet habe. Daher seien Mitarbeiter nicht berechtigt, fremde Punkte auf ihre eigenen Karten zu buchen. Der Arbeitgeber habe eine entgegenstehende Praxis auch nicht geduldet, wie die Klägerin behauptete. Angesichts der Schwere und der Nachhaltigkeit des Vergehens musste nach der Begründung des Gericht der Arbeitgeber auch weder die langjährige Betriebszugehörigkeit noch das Alter der Mitarbeiterin entscheidend zu deren Gunsten berücksichtigen. Auch sei eine vorherige Abmahnung nicht nötig gewesen. Die Arbeitnehmerin habe im der Kündigung vorausgehenden Personalgespräch selbst zugestanden, sie habe gewusst, dass ihr die Punkte nicht zugestanden hätten. Das Vertrauensverhältnis sei daher erheblich erschüttert.

In einer zweiten Entscheidung (Urteil vom 4. August 2010, 2 Sa 422/10) lag der Fall durchaus ähnlich. Der klagende Arbeitnehmer war hier jedoch erst 33 Jahre alt und seit rund 3 Jahren an einer Tankstelle mit einem Bonuspunkteprogramm beschäftigt. Er buchte  am 12. Mai 2009 zwei Umsätze in Höhe von zusammen rund 130,- € auf die Bonuskarte eines Kollegen.

Auch hier sah das LAG, wie auch schon zuvor das erstinstanzliche Arbeitsgericht Frankfurt, durchaus eine schwere Pflichtverletzung, deren Bedeutung der Arbeitnehmer ohne weiteres hätte erkennen können. Gleichwohl sei eine Kündigung jedenfalls ohne vorherige Abmahnung nicht gerechtfertigt, denn es sei nicht auszuschließen, dass der Arbeitnehmer bei einer Abmahnung sich künftig vertragstreu verhalten hätte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber in diesem Fall die Arbeitnehmer bei Einführung des Punkteprogramms auf ein hierzu existierendes Handbuch und die einschlägigen Buchungsvorschriften nicht hingewiesen hatte, bzw. dies nicht beweisen konnte. Der Arbeitgeber berief sich im Verfahren ausdrücklich auf die oben genannte frühere Entscheidung der 9. Kammer des LAG vom 11. Dezember 2008, jedoch vergeblich: Die diesmal entscheidende 2. Kammer des LAG sah die Fälle schon wegen der erheblichen Wertunterschiede als nicht vergleichbar an.

 

Kommentar von HELFER Rechtsanwälte:

Die Entscheidungen zeigen gerade wegen ihrer ähnlich liegenden Sachverhalte und der zeitlichen Nähe ihrer Verkündung sehr schön, dass in der arbeitsrechtlichen Praxis nie alleine auf den eigentlichen Kündigungsgrund, nämlich das beanstandete Fehlverhalten an sich und seine „Eignung“ als Kündigungsgrund abgestellt werden kann. Gemäß der hierzu bestehenden gesetzlichen Regelung des § 626 Abs. 1 BGB sind insbesondere bei einer fristlosen Kündigung (entsprechend aber auch bei der fristgerechten Kündigung) stets die „Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“, wie es die Vorschrift ausdrücklich vorsieht, zu berücksichtigen. Das lässt den Gerichten einen erheblichen Beurteilungsspielraum, der – wie man sieht – auch am gleichen Gerichtsort häufig zu scheinbar widersprechenden Ergebnissen führen kann. Ein weiterer, und auch im zweiten Fall ausdrücklich berücksichtigter Punkt ist der im Einzelfall verursachte Schaden, der im ersten Fall ca. 330,- €, im zweiten hingegen nur rund 1,30 € betrug. Eine feste und verlässliche Grenze gibt es  in der Rechtsprechung für die Schadenshöhe andererseits nicht.

Hinzu kommen bisweilen auch widersprüchliche Erwägungen. So ist beispielsweise nur schwer nachvollziehbar, warum im zweiten Fall das Fehlverhalten für den Arbeitnehmer einerseits selbst ohne weiteres erkennbar gewesen sein soll, andererseits hingegen eine vorherige Abmahnung ihn gerade hiervon hätte abhalten sollen.

All diese Umstände machen den Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens häufig genug nur schwer voraussehbar. Gelernt werden kann gerade auf Arbeitgeberseite aus solchen Entscheidungen trotzdem: So sollte bei Tätigkeiten im Umgang mit Geld (oder wie hier mit geldähnlichen Werten), die im Vertrauensbereich angesiedelt sind, auf entsprechend dokumentierte Schulungen und Verhaltenshinweise schon bei Antritt der Tätigkeit nicht verzichtet werden. (AH)

 

 

Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit kann zur fristlosen Kündigung führen

Dienstag, April 24th, 2012

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) in Frankfurt (Urteil vom 1. April 2009 – 6 Sa 1593/08) kann die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit zur außerordentlichen Kündigung führen, und zwar auch trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit und mehrerer Unterhaltsverpflichtungen.

Der Fall betraf einen 52-jährigen Stahlschweißer mit drei Kindern im Alter von 11, 19 und 25 Jahren. Nachdem ihn zunächst im Rahmen verstärkten Personalabbaus am 29. November 2007 eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung zum 31. Mai 2008 traf, nahmen seine krankheitsbedingten Fehlzeiten drastisch zu. Die Unternehmensleitung glaubte ihm die Fehlzeiten nicht und beauftragte einen Detektiven zur Überprüfung. Dieser kontaktierte ihn im März 2008 telefonisch unter dem Vorwand, sich in der Telefonnummer geirrt zu haben; er habe sich mit einer anderen Person zur Arbeit verabredet. Daraufhin bot der Arbeitnehmer und spätere Kläger dem Detektiven sofort seine Dienste zum Arbeiten für Renovierungen und zum Innenausbau an. Er könne auch gleich anzufangen. Auf die Frage nach den Hintergründen hierfür erklärte er dem Detektiven, er sei zwar derzeit krank geschrieben, stehe gleichwohl aber sofort zur Verfügung.Für weitere Kontakte gab er dem Detektiven seine Handynummer.

Gegen die daraufhin nach Anhörung des Betriebsrats am 3. April 2008 ausgesprochene fristlose Kündigung erhob er Klage vor dem Arbeitsgericht Kassel – zunächst erfolgreich: Das Arbeitsgericht war der Auffassung, eine fristlose Kündigung sei unberechtigt, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung keine Entgeltfortzahlung mehr erhalten habe. Damit könne nur noch das Zurückhalten der Arbeitsleistung kündigungsrelevant sein. Dies alleine rechtfertige jedoch nicht die fristlose Kündigung.

Diese Meinung teilte das LAG nicht. Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit stelle vielmehr ein unredliches Verhalten dar, das von laufender Lohnfortzahlung nicht abhänge. Das Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers werde zerstört. Auch die Abwägung der Interessen falle gegen den Kläger aus. Der Arbeitgeber habe berücksichtigen dürfen, dass sich das Verhalten des Klägers auf die übrigen Arbeitnehmer auswirke (Gefahr der Nachahmung). Alter und Betriebszugehörigkeit des Klägers könnten dies nicht aufwiegen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

 

Anmerkungen von HELFER Rechtsanwälte:

Das Urteil ist – verglichen mit anderen Urteilen zu außerordentlichen Kündigungen aus der jüngeren Vergangenheit – recht arbeitgeberfreundlich.  Besonders bemerkenswert: Dem Arbeitnehmer hätte aufgrund der zuvor ausgesprochenen vorausgegangenen betriebsbedingten Kündigung eigentlich eine Sozialplanabfindung zugestanden. Diese hat sich das Unternehmen mit der wirksamen fristlosen Kündigung quasi „erspart“, da das Arbeitsverhältnis nicht durch die (ordentliche) betriebsbedingte Kündigung am 31. Mai 2008, sondern schon durch die fristlose Kündigung zum Ablauf des 3. April 2008 endete. Der Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan entsteht regelmäßig nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis auch aus betriebsbedingten Gründen endet. (AH)

 

 

 

„Kennen gelernt“ im Arbeitszeugnis

Freitag, März 23rd, 2012

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 15. November 2011, 9 AZR 386/10, entschieden, dass die in Zeugnissen häufig gebrauchte Formulierung „kennen gelernt“ nicht zum Ausdruck bringt, dass die im Zusammenhang hiermit angeführten Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen.

Dem Kläger, einem Mitarbeiter eines SAP-Competence-Centers, war 2007 in seinem Zeugnis bescheinigt worden:

„Wir haben Herrn K. als interessierten und hoch motivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Herr K. war jederzeit bereit sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.

Herr K., der Kläger im Verfahren, war der Auffassung, das Zeugnis sei nicht ordnungsgemäß. Der Gebrauch der Worte „kennen gelernt“ drücke stets das Nichtvorhandensein der im Kontext aufgeführten Fähigkeiten aus.

Dies sah das Bundesarbeitsgericht, ebenso wie die Vorinstanzen, anders:

Ein objektiver und damit unbefangener Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnissen erhalte durch die im Zeugnis enthaltene Formulierung, sowie deren Gesamtzusammenhang,  nicht den Eindruck, der Arbeitgeber attestiere dem Arbeitnehmer in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation. Eine Mehrdeutigkeit komme der Formulierung selbst nicht zu. Daher sei die Formulierung „kennen gelernt“ nicht zu beanstanden. Den gegenteiligen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm vom 27. April 2000 – Az.: 4 Sa 1018/99 – und vom 28. März 2000 -Az.: 4 Sa 648/99 – sei daher nicht zu folgen. In diesen Entscheidungen hatte das LAG Hamm die Formulierung noch dahingehend ausgelegt, dass der Arbeitnehmer nach Ansicht des Arbeitgebers die Eigenschaft gerade nicht besitze.

 

Kommentar von HELFER Rechtsanwälte:

Im Ergebnis wird man die Entscheidung als zutreffend bezeichnen müssen.  Tatsächlich bringt die Formulierung, eine/n Mitarbeiter/in als interessiert und hoch motiviert  „kennen gelernt“ zu haben, sicherlich nicht zwingend Desinteresse und fehlende Motivation zum Ausdruck. Da die Formulierungen im Kontext ansonsten einen positiven Tenor hatten, konnte das Bundesarbeitsgericht keine offene oder versteckte Fehlbeurteilung sehen.

Gleichwohl erweist sich das Urteil in seiner Konsequenz als problematisch:

Dies liegt einmal an den bereits über 10 Jahre alten entgegenstehenden Entscheidungen des LAG Hamm. In Konsequenz dieser Rechtsprechung hat die arbeitsrechtlich beratende Praxis jahrelang sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer auf die nunmehr vom Bundesarbeitsgericht verneinte Zweideutigkeit aufmerksam gemacht. Es mag zutreffen, dass sich ein Sprachempfinden, wonach eine allgemein verschlüsselte Bedeutung der Formulierung „kennen gelernt“ in der Zeugnissprache besteht, nicht herausgebildet hat. Für die beratende Praxis hat dies in den letzten Jahren freilich keine Rolle gespielt. Allein aus der ständig geübten Beratung entsteht – gewollt oder ungewollt – gerade in praxisorientierten Fachkreisen ein entsprechendes Bewusstsein im Umgang mit der genannten Formulierung. Es könnte nun umgekehrt wiederum Jahre dauern, bis sich alle an die vom Bundesarbeitsgericht nunmehr festgestellte Rechtslage „gewöhnen“. Den Nachteil tragen dann Arbeitnehmer, in deren Zeugnisse die Formulierung „kennen gelernt“ in der Zwischenzeit – gewollt oder ungewollt – aufgenommen wurde, wenn diese von Personalleitern gelesen werden, die von der „Wende“ in der Rechtsprechung möglicherweise erst verspätet etwas mitbekommen.

Hinzu kommen sprachliche Aspekte, die das BAG nach unserer Auffassung nicht hinreichend gewürdigt hat:

Eine Person in der Probezeit mit einer gewissen Eigenschaft „kennen gelernt“ zu haben, bedeutet nicht, dass sich die Person bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch durch die gleiche Eigenschaft auszeichnet. Wer sich bei Beginn des Arbeitsverhältnisses als zuverlässig erwiesen hat und vom Arbeitgeber solchermaßen „kennen gelernt“ wurde, muss nicht auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuverlässig  gewesen sein.

Es empfiehlt sich aus unserer Sicht daher nach wie vor, die Formulierung „kennen gelernt“ im Arbeitszeugnis zu vermeiden, es sei denn man will gerade betonen, das eine positive Eigenschaft im Laufe des Arbeitsverhältnisses verloren gegangen ist. Wenn im entschiedenen Fall Herr K. von Beginn an interessiert und hoch motiviert gewesen sein sollte, ist die sprachlich einfachere und auch zutreffende Formulierung „Herr K. ist ein sehr interessierter und hoch motivierter Mitarbeiter“. Zur Vermeidung möglicher Fehldeutungen sollte deshalb auch der Arbeitnehmer nach wie vor darauf zu achten, dass in einem Zeugnis mit guter Benotung die Formulierung „kennen gelernt“ nicht verwandt wird. (AH)

Kündigung wegen sexueller Belästigung

Montag, März 19th, 2012

Sexuelle Belästigungen können den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen (Bundesarbeitsgericht vom 9. Juni 2011, 2 AZR 323/10).  Einer Kündigung stehen auch langjährige Betriebszugehörigkeit und fortgeschrittenes Alter nicht zwingend entgegen.

Diese Erfahrung musste ein 57 Jahre alter und seit 31 Jahren im Unternehmen beschäftigter Produktmanager im Einzelhandel machen, der durch wiederholte anzügliche Bemerkungen gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin aufgefallen war. Der Produktmanager machte an zwei aufeinander folgenden Tagen in insgesamt vier Fällen anzügliche Bemerkungen gegenüber der jungen Frau und im letzten Fall ein ausdrückliches sexuelles Angebot. Die Mitarbeiterin beschwerte sich über die Vorfälle.

Nach Anhörung des Mitarbeiters und des Betriebsrats, der der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers ausdrücklich zustimmte, sprach dieser die fristlose sowie vorsorglich eine fristgerechte Kündigung aus.

Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Produktmanagers wies das Arbeitsgericht Paderborn ab. Die Entscheidung wurde in der Berufung jedoch vom Landesarbeitsgericht Hamm zunächst wieder aufgehoben. Dort war man der Ansicht, die Kündigung sei u. a. deshalb nicht angemessen, weil sich verbale Belästigungen im „weniger gravierenden Bereich“ bewegten.

Diese Auffassung teilte das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht, weil es zum Einen gravierendes und in der Mehrzahl und der Wiederholung der Vorfälle auch hartnäckiges Fehlverhalten erkannte. Zudem war nach Ansicht des Revisionsgerichts angesichts einer nur ein Jahr zuvor ausgesprochenen Abmahnung wegen eines Schlags auf das Gesäß einer anderen Mitarbeiterin nicht davon auszugehen, dass sich der Kläger durch eine weitere Abmahnung von zukünftigen Belästigungen abbringen lassen würde.

Angesichts dieser Lage seien weder das fortgeschrittene  Alter noch die langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers entscheidend zu dessen Gunsten zu berücksichtigen gewesen.

 

Kommentar von HELFER Rechtsanwälte:

Die Entscheidung zeigt, dass sexuelle Belästigungen zu Recht nicht als Kavaliersdelikte angesehen werden. Das Bundesarbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen der rechtlichen Herleitung des im Allgemeinen Gleichberechtigungsgesetz normierten Verbots der sexuellen Belästigung breiten Raum gewidmet und darauf hingewiesen, dass eine solche schon eintritt, wenn sie auch nur vom Täter bezweckt ist. Für eine tatsächliche Bewirkung kommt es nicht einmal auf vorsätzliches Handeln des Täters an. Auch ist nicht erforderlich, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung ausdrücklich erkennen lassen. Allein maßgeblich ist vielmehr, ob die Unerwünschtheit des Verhaltens objektiv erkennbar ist, bzw. war.

Für die Praxis ist wesentlich, dass Betroffene einerseits den Mut haben, sich möglichst unverzüglich beim Arbeitgeber zu beschweren oder anwaltlichen Rat zu suchen, andererseits aber die Beschwerden arbeitgeberseits auch ernst genommen werden und dass der Sachverhalt möglichst schnell und lückenlos aufgeklärt wird. Nur dann kann angemessen reagiert werden. Denn der Zeithorizont ist eng. Dem Beschuldigten selbst muss regelmäßig binnen einer Woche Gelegenheit zur Stellungnahme  gegeben werden. Die fristlose Kündigung selbst kann nur binnen zwei Wochen nach zuverlässiger Kenntnis der Kündigungsgründe ausgesprochen werden.

Über die Frage, wie das Bundesarbeitsgericht den oben geschilderten Fall entschieden hätte, wenn die Abmahnung aus dem Vorjahr nicht bestanden hätte, kann in diesem Zusammenhang natürlich nur spekuliert werden. In schweren Fällen sexueller Belästigung – und als solche bezeichnete auch das Bundesarbeitsgericht die Verfehlungen im besprochenen Fall – wird man aber eine vorherige einschlägige Abmahnung mit einiger Sicherheit nicht voraussetzen müssen.  (AH)

Putzfrau reinigt Kunstwerk! Na, sauber….

Donnerstag, Januar 12th, 2012

…dachte sich vermutlich der Geschäftsführer eines Dortmunder Reinigungsunternehmens:  Eine seiner weiblichen Reinigungskräfte hatte in Verrichtung ihrer Tätigkeit im Dortmunder Museum am Ostwall einen weißen Kalkfleck aus einem Gummitrog entfernt, den sie für Schmutz hielt. Tatsächlich war der Fleck Teil eines Kunstwerks des Künstlers Martin K. mit dem Titel „Wenn´s anfängt durch die Decke zu tropfen“. Die Putzfrau entfernte den Fleck so gründlich, dass das Werk nach Einschätzung der Museumsrestauration nicht mehr zu retten ist. Versicherungswert des Kunstwerks: 800.000,- €.

Für Arbeitsrechtler stellen sich natürlich sogleich interessante Fragen nach den Verantwortlichkeiten. Unabhängig von der Frage, ob eine Putzfrau jemals in der Lage wäre, einen Schaden dieser Höhe zu begleichen, kann sie sich keinesfalls völlig beruhigt zurücklehnen. Denn zumindest für Vorsatz und in aller Regel auch für grobe Fahrlässigkeit haften Arbeitnehmer, wenn sich Vorsatz, bzw. grobe Fahrlässigkeit auch auf den eingetretenen Schaden beziehen. Bei einfacher Fahrlässigkeit kommt immer noch eine anteilige Haftung in Betracht. Und da den Reinigungskräften  eine Annäherung mit Putzgerät unter 20 cm an die Kunstwerke  untersagt war, spricht hier einiges für einen Haftungsgrund wegen solcher einfacher Fahrlässigkeit.

Mit einer Kündigung muss die unglückliche Putzfrau jedoch offenbar nicht rechnen: Der Geschäftsführer der Reinigungsfirma, schloss eine Trennung von der Mitarbeiterin dem Vernehmen nach kategorisch aus, weil er sie für gestraft genug halte. Sie schäme sich unendlich. Vermutlich würden die meisten Arbeitsgerichte trotz des beträchtlichen Schadens eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige gleichartige Abmahnung auch nicht gutheißen. Gegen eine Abmahnung selbst wäre freilich angesichts der bereits zitierten und missachteten Arbeitsanweisung kaum etwas einzuwenden.

Wer meint, ein solcher Fall werde sich ohnehin kaum wiederholen, könnte sich irren: Schon 1986 wischte versehentlich eine Putzkraft Josef Beuys berühmte Fettecke aus der Düsseldorfer Kunstakademie einfach weg – Schaden damals ca. 40.000,- DM. Und Beuys´ Kunst war nicht das erste Mal Ziel von „Reinigungsattacken“. Schon 1973 wurde anlässlich eines geselligen Zusammenseins eines SPD-Ortsvereins eine von ihm mit Heftpflaster und Mullbinden versehene Badewanne gereinigt. Der Schaden belief sich auch in diesem Fall auf rund 40.000,- DM.

Abfindungsanspruch erhöht nicht den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt

Dienstag, März 22nd, 2011

Eine interessante Entscheidung (angesiedelt eigentlich im Familienrecht, jedoch mit arbeitsrechtlichem Hintergrund), hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 2. Juni 2010, XII ZR 138/08) gefällt. Danach bleibt eine Abfindung, die nach der Scheidung vom Arbeitgeber an den Ehegatten gezahlt worden ist, bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs unberücksichtigt. Dies gilt auch dann, wenn die Abfindung zur Tilgung von unterhaltsmindernden Raten gemeinsamer Verbindlichkeiten verwendet worden ist.

Grundsätzlich sind nach der neueren BGH-Rechtsprechung auch spätere Einkommensverhältnisse bei der Bemessung des nachehelichen Ehegattenunterhalts zu berücksichtigen. Dabei bleiben jedoch solche Einkommensverbesserung unberücksichtigt, die auf einer unerwarteten und vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung beruhen, so wie dies bei einer Abfindung der Fall sei.

Hintergrund des Falles war ein zwischen den Ehegatten geschlossener Vergleich, bei dem die Parteien von einer monatlichen Tilgung gemeinsamer
Schulden durch den Ehemann ausging. Für die Zeit der Schuldentilgung verzichtete die Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt. Durch die spätere Abfindung konnten die Schulden vom Ehegatten dann auf einen Schlag beglichen werden. Der Bundesgerichtshof entschied, der Mann sei so zu stellen, als ob er die gemeinsamen Schulden weiterhin in monatlichen Raten getilgt hätte.  Für die Ehefrau mache es keinen Unterschied, ob der Mann die Tilgungsleistungen aus seinem Einkommen oder aus der Abfindung erbringt, bzw. ob er die Schulden in Raten aus seinem regulären Einkommen oder unter Einsatz der vollen Abfindung mit einem Einmalbetrag begleicht.

Weiterbeschäftigung eines GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer

Dienstag, März 22nd, 2011

Ein GmbH-Geschäftsführer hat nach seiner Abberufung grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Beschäftigung in einer ähnlichen Stellung als Arbeitnehmer, wenn der Arbeitsvertrag eine solche Beschäftigungsmöglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 11. Oktober 2010 (II ZR 266/08).

Beim Kläger handelte es sich um den ehemaligen Direktor und Intendanten der Kunsthalle in Bonn, der im Jahr 1989 zum dortigen Geschäftsführer bestellt wurde. Diese Bestellung wurde im Jahr 2007 widerrufen. Der Geschäftsführervertrag wurde zum Jahresende gekündigt. Diese Kündigung hielt der Kläger für unwirksam und machte seine Weiterbeschäftigung unter Fortzahlung seiner Bezüge geltend.

Vor dem Landgericht Bonn blieb die Klage zunächst erfolglos. Das Oberlandesgericht Köln sah dies anders. Es verurteilte die Kunsthalle zur Weiterbeschäftigung als Arbeitnehmer in einer ähnlichen leitenden Funktion.

Die Richter des BGH widersprachen jedoch: Der Anstellungsvertrag als Geschäftsführer einer GmbH habe regelmäßig nur die Geschäftsführertätigkeit selbst zum Inhalt. Eine Tätigkeit unterhalb der Geschäftsführerebene sei jedoch im Anstellungsvertrag nicht vereinbart. Daher bestehe keine Verpflichtung der Kunsthalle zu einer anderweitigen Beschäftigung.

Die Entscheidung führt die Konsequenzen einer Kündigung, bzw. Abberufung als Geschäftsführer einer GmbH recht deutlich auf: Der Geschäftsführer ist gegen eine ordentliche Kündigung in der Regel nur unzulänglich geschützt. Zum Ausspruch einer Kündigung ist kein sachlicher Grund notwendig. Selbst langjährige vorangegangene Beschäftigungszeiten im gleichen Unternehmen erhalten nach der Gesetzeslage häufig keine besonderen Anwartschaften oder Rechte.

Die Schutzlosigkeit, in die sich der Geschäftsführer mit Unterzeichnung des Geschäftsführervertrags begibt, ist freilich nicht zwingend. Eine besonders sorgfältige Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags kann einen solchen Schutz nämlich schaffen. Die vertraglichen Möglichkeiten zur Absicherung hierzu sind vielfältig. So kann vereinbart werden, dass der Geschäftsführer nach Beendigung seiner Funktion seine alte Stelle wieder antreten darf oder auf eine  gleichwertige andere Stelle versetzt wird. Zur Absicherung möglich sind auch besonders lange Kündigungsfristen, eine mehrjährige Befristung des Vertrags oder die Vereinbarung einer von vorne herein ausgehandelten Abfindung. Sogar die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes, das aus sich selbst heraus auf den Geschäftsführervertrag keine Anwendung findet, kann einzelvertraglich vereinbart werden (BGH vom 10. Mai 2010, II ZR 70/09). Nicht alle derartigen Möglichkeiten werden jedoch auch immer zweckmäßig sein. Empfehlenswert ist eine sorgfältige Analyse unter Berücksichtigung des Einzelfalls (persönliche Bedürfnisse, Branchenüblichkeiten, konjunkturelle Lage, Chancen auf dem Arbeitsmarkt usw.). Wir beraten Sie zur Gestaltung von GmbH-Geschäftsführerverträgen gerne.

Boni für „Bänker“

Dienstag, März 22nd, 2011

Viel Aufsehen erregten in den letzten Monaten verschiedene Urteile zur Frage von Ansprüchen auf Bonuszahlungen in der von der Finanzkrise gebeutelten Bankenwelt.

So versagte im vergangenen Jahr das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 20. September 2010, 7 Sa 2082/09) einer Gruppe von 14 klagenden Angestellten der Commerzbank AG  Bonuszahlungen für das Jahr 2008 zwischen 29.000,- € und 150.000,- €;  insgesamt hatten die Klagen ein Volumen von 2,37 Million €. Die Angestellten gehörten früher zur Dresdner Kleinwort Investment Bank (DKIB), die zunächst von der Allianz AG, später von der Commerzbank AG übernommen wurde. Noch unter der Ägide der Dresdner Bank (und vor Beginn der Finanzkrise) war zunächst beschlossen worden, für den Bereich der Investmentbank Boni in Höhe von rund 400 Mio. € zu zahlen, was den Mitarbeitern auch schriftlich angekündigt wurde. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage beschloss der Vorstand der Commerzbank im Februar 2009, nur 10 % der angekündigten Bonussumme auszuzahlen. Die klagenden Mitarbeiter verlangten die Zahlung der restlichen 90 %, unterlagen jedoch in 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht Frankfurt. Das Urteil wurde vom Landesarbeitsgericht als Berufungsinstanz bestätigt. Die Richter stützten sich in seinem Urteil vor allem darauf, dass sich die finanzielle Lage der Bank drastisch verschlechtert habe. Zudem sei gegenüber den Mitarbeitern im Dezember 2008 der der zu erwartende Bonus ausdrücklich als „vorläufig“ bezeichnet worden. Dieses Schreiben könne daher nicht als rechtsverbindliche Zusage an die Mitarbeiter gewertet werden.

Bonuskürzungen folgen wirtschaftlichen Schieflagen allerdings keineswegs zwingend auf den Fuß. In Frankfurt hatte schon im Jahr 2009 ein hochrangiger Investmentbanker gegen die Kürzung seines Bonus von rund 3 Mio. € geklagt und vor dem ArbG Frankfurt Recht erhalten, da nicht erkenntlich war, dass die Ertragslage des Unternehmens zur Rechtsgrundlage der Zahlung gemacht worden war. Das Arbeitsgericht Düsseldorf  (Urteil vom 13. Januar 2011, 15 Ca 6919/10) verurteilte jüngst eine andere Tochterfirma  der Commerzbank zu erheblichen Nachzahlungen für das Jahr 2008 . Für die Bonusansprüche der dortigen Mitarbeiter waren teilweise leistungsbedingte Kriterien vereinbart worden. Da sich die Leistungen der Mitarbeiter unstreitig nicht verschlechterten, durften die Boni hierfür auch nicht gestrichen werden.

 

 

 

Altersdiskriminierung bei der Stellenausschreibung

Montag, März 21st, 2011

Unternehmen müssen bei ihren Stellenausschreibungen die Vorschriften des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) beachten. Sie setzen sich ansonsten Schadensersatzansprüchen abgelehnter Bewerber aus. So geschehen im Fall eines Unternehmens, das für seine Rechtsabteilung in einer juristischen Fachzeitschrift einen „jungen engagierten Volljuristen/Volljuristin“ suchte.

Auf diese Anzeige bewarb sich ein 49-jähriger Jurist, der zu einem Vorstellungsgespräch jedoch gar nicht erst eingeladen wurde. Eingestellt wurde stattdessen eine 33-jährige Juristin. Der verschmähte Bewerber fühlte sich wegen seines Alters benachteiligt und verlangte vor dem Arbeitsgericht eine Entschädigung in Höhe von 25.000,- € sowie Schadensersatz in Höhe eines Jahresgehalts. Das Arbeitsgericht setzte zunächst eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts fest und wies die Klage im Übrigen ab.

Hiergegen legten sowohl der benachteiligte Bewerber als auch das Unternehmen Berufung ein, die jedoch beide vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen wurden. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte in letzter Instanz diese Rechtslage (Urteil vom 19. August 2010, 8 AZR 530/09). Nach Auffassung der Richter sprach die nicht altersneutral formulierte Stellenanzeige dafür, dass der erfolglose Bewerber zumindest auch wegen seines Alters nicht eingestellt wurde. Für solche Fälle sieht das AGG den speziellen Entschädigungsanspruch des § 15 Abs. 2 AGG vor, der auch nach Auffassung der Richter des höchsten deutschen Arbeitsgerichts mit einem Monatsgehalt (3.344,- €) in den Vorinstanzen angemessen festgesetzt worden war. Weiteren Schadensersatz (nach § 15 Abs. 1 AGG) konnte der Kläger jedoch nicht verlangen. Er hätte hierzu vortragen und beweisen müssen, dass er bei einer Auswahl ohne Benachteiligung auch tatsächlich eingestellt worden wäre.

Geschädigte, die sich auf einen Schadensersatzanspruch nach dem AGG berufen wollen, müssen im Übrigen schnell reagieren und spätestens zwei Monate nach der behaupteten Benachteiligung ihre Ansprüche schriftlich anmelden; nach drei weiteren Monaten muss der Gang zum Arbeitsgericht angetreten werden. Ansonsten verfallen die Ansprüche.

Keine Versetzung nach London in der Elternzeit

Montag, März 21st, 2011

Ursprünglich hatte die 39-jährige Leiterin einer Rechtsabteilung mit ihrem Arbeitgeber für ihre Elternzeit eine Teilzeittätigkeit vereinbart, die sie an drei Wochentagen von Zuhause (Homeoffice) und an zwei weiteren Tagen aus dem Büro ihres Arbeitgebers in Frankfurt durchführen sollte.

Als ihr Kind 13 Monate alt war, wurde ihr jedoch plötzlich mitgeteilt, dass ihr Arbeitgeber das Frankfurter Büro schließe und die Mitarbeiterin nunmehr zwei Tage in der Woche in der Konzernzentrale in London ableisten müsse. Die Kosten für Anreise und Übernachtung sollte sie im wesentlichen selbst bezahlen.

Hiergegen wehrte sich die Arbeitnehmerin im Wege der einstweiligen Verfügung und bekam vom Hessischen Landesarbeitsgericht (Beschluss vom 15. Februar 2011, 13 SaGa 1934/10, Pressemittteilung) Recht: Das LAG hob die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Darmstadt auf, das die Versetzung noch für rechtmäßig gehalten hatte.

Zur Begründung führten die Richter aus, es stehe schon nicht fest, ob die Schließung des Frankfurter Büros tatsächlich durchgeführt werde. Jedenfalls aber komme die Weisung einer „Strafversetzung“ gleich. Die wöchentliche Reise von Frankfurt nach London zur Arbeitsleistung nehme schon mehr als einen Arbeitstag in Anspruch. Den vereinbarten 30 Arbeitsstunden pro Woche stünde damit ein zeitlicher Aufwand für Reise und Abwesenheit von mindestens gleicher Zeit gegenüber. Dies sei unzumutbar und sprenge das vereinbarte Modell zur Vereinbarung von Kinderbetreuung und Beruf. Demgegenüber müssten die Interessen des Arbeitgebers an einer Anwesenheit der Abteilungsleiterin in London zurückstehen.