Kündigung wegen sexueller Belästigung

Sexuelle Belästigungen können den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen (Bundesarbeitsgericht vom 9. Juni 2011, 2 AZR 323/10).  Einer Kündigung stehen auch langjährige Betriebszugehörigkeit und fortgeschrittenes Alter nicht zwingend entgegen.

Diese Erfahrung musste ein 57 Jahre alter und seit 31 Jahren im Unternehmen beschäftigter Produktmanager im Einzelhandel machen, der durch wiederholte anzügliche Bemerkungen gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin aufgefallen war. Der Produktmanager machte an zwei aufeinander folgenden Tagen in insgesamt vier Fällen anzügliche Bemerkungen gegenüber der jungen Frau und im letzten Fall ein ausdrückliches sexuelles Angebot. Die Mitarbeiterin beschwerte sich über die Vorfälle.

Nach Anhörung des Mitarbeiters und des Betriebsrats, der der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers ausdrücklich zustimmte, sprach dieser die fristlose sowie vorsorglich eine fristgerechte Kündigung aus.

Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Produktmanagers wies das Arbeitsgericht Paderborn ab. Die Entscheidung wurde in der Berufung jedoch vom Landesarbeitsgericht Hamm zunächst wieder aufgehoben. Dort war man der Ansicht, die Kündigung sei u. a. deshalb nicht angemessen, weil sich verbale Belästigungen im „weniger gravierenden Bereich“ bewegten.

Diese Auffassung teilte das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht, weil es zum Einen gravierendes und in der Mehrzahl und der Wiederholung der Vorfälle auch hartnäckiges Fehlverhalten erkannte. Zudem war nach Ansicht des Revisionsgerichts angesichts einer nur ein Jahr zuvor ausgesprochenen Abmahnung wegen eines Schlags auf das Gesäß einer anderen Mitarbeiterin nicht davon auszugehen, dass sich der Kläger durch eine weitere Abmahnung von zukünftigen Belästigungen abbringen lassen würde.

Angesichts dieser Lage seien weder das fortgeschrittene  Alter noch die langjährige Betriebszugehörigkeit des Klägers entscheidend zu dessen Gunsten zu berücksichtigen gewesen.

 

Kommentar von HELFER Rechtsanwälte:

Die Entscheidung zeigt, dass sexuelle Belästigungen zu Recht nicht als Kavaliersdelikte angesehen werden. Das Bundesarbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen der rechtlichen Herleitung des im Allgemeinen Gleichberechtigungsgesetz normierten Verbots der sexuellen Belästigung breiten Raum gewidmet und darauf hingewiesen, dass eine solche schon eintritt, wenn sie auch nur vom Täter bezweckt ist. Für eine tatsächliche Bewirkung kommt es nicht einmal auf vorsätzliches Handeln des Täters an. Auch ist nicht erforderlich, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung ausdrücklich erkennen lassen. Allein maßgeblich ist vielmehr, ob die Unerwünschtheit des Verhaltens objektiv erkennbar ist, bzw. war.

Für die Praxis ist wesentlich, dass Betroffene einerseits den Mut haben, sich möglichst unverzüglich beim Arbeitgeber zu beschweren oder anwaltlichen Rat zu suchen, andererseits aber die Beschwerden arbeitgeberseits auch ernst genommen werden und dass der Sachverhalt möglichst schnell und lückenlos aufgeklärt wird. Nur dann kann angemessen reagiert werden. Denn der Zeithorizont ist eng. Dem Beschuldigten selbst muss regelmäßig binnen einer Woche Gelegenheit zur Stellungnahme  gegeben werden. Die fristlose Kündigung selbst kann nur binnen zwei Wochen nach zuverlässiger Kenntnis der Kündigungsgründe ausgesprochen werden.

Über die Frage, wie das Bundesarbeitsgericht den oben geschilderten Fall entschieden hätte, wenn die Abmahnung aus dem Vorjahr nicht bestanden hätte, kann in diesem Zusammenhang natürlich nur spekuliert werden. In schweren Fällen sexueller Belästigung – und als solche bezeichnete auch das Bundesarbeitsgericht die Verfehlungen im besprochenen Fall – wird man aber eine vorherige einschlägige Abmahnung mit einiger Sicherheit nicht voraussetzen müssen.  (AH)

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