Kündigung bei unrechtmäßiger Buchung von Kundenbonuspunkten

Zwei Entscheidungen zur Berechtigung von Kündigungen bei unrechtmäßiger Buchung von Kundenbonuspunkten hat das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt gefällt.

Der erste Fall (Urteil vom 11. Dezember 2008, 9 Sa 1075/08) betraf eine 50 Jahre alte Kassiererin eines Kaufhauses, die dort bereits seit 20 Jahren beschäftigt war. Sie buchte über einen Zeitraum von 13 Monaten unberechtigt Bonuspunkte für Kundeneinkäufe im Wert von über 20.000,- € auf ihre eigene Bonuskarte und noch einmal rund 13.000,- € auf die ihrer Tochter. Das Unternehmen kündigte nach Aufdeckung der Vorwürfe das Arbeitsverhältnis fristlos.

Das LAG wies die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin ab. Es sah ein widerrechtliches Handeln zum Nachteil des Arbeitgebers, der das System zum Zweck der Kundenbindung eingerichtet habe. Daher seien Mitarbeiter nicht berechtigt, fremde Punkte auf ihre eigenen Karten zu buchen. Der Arbeitgeber habe eine entgegenstehende Praxis auch nicht geduldet, wie die Klägerin behauptete. Angesichts der Schwere und der Nachhaltigkeit des Vergehens musste nach der Begründung des Gericht der Arbeitgeber auch weder die langjährige Betriebszugehörigkeit noch das Alter der Mitarbeiterin entscheidend zu deren Gunsten berücksichtigen. Auch sei eine vorherige Abmahnung nicht nötig gewesen. Die Arbeitnehmerin habe im der Kündigung vorausgehenden Personalgespräch selbst zugestanden, sie habe gewusst, dass ihr die Punkte nicht zugestanden hätten. Das Vertrauensverhältnis sei daher erheblich erschüttert.

In einer zweiten Entscheidung (Urteil vom 4. August 2010, 2 Sa 422/10) lag der Fall durchaus ähnlich. Der klagende Arbeitnehmer war hier jedoch erst 33 Jahre alt und seit rund 3 Jahren an einer Tankstelle mit einem Bonuspunkteprogramm beschäftigt. Er buchte  am 12. Mai 2009 zwei Umsätze in Höhe von zusammen rund 130,- € auf die Bonuskarte eines Kollegen.

Auch hier sah das LAG, wie auch schon zuvor das erstinstanzliche Arbeitsgericht Frankfurt, durchaus eine schwere Pflichtverletzung, deren Bedeutung der Arbeitnehmer ohne weiteres hätte erkennen können. Gleichwohl sei eine Kündigung jedenfalls ohne vorherige Abmahnung nicht gerechtfertigt, denn es sei nicht auszuschließen, dass der Arbeitnehmer bei einer Abmahnung sich künftig vertragstreu verhalten hätte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber in diesem Fall die Arbeitnehmer bei Einführung des Punkteprogramms auf ein hierzu existierendes Handbuch und die einschlägigen Buchungsvorschriften nicht hingewiesen hatte, bzw. dies nicht beweisen konnte. Der Arbeitgeber berief sich im Verfahren ausdrücklich auf die oben genannte frühere Entscheidung der 9. Kammer des LAG vom 11. Dezember 2008, jedoch vergeblich: Die diesmal entscheidende 2. Kammer des LAG sah die Fälle schon wegen der erheblichen Wertunterschiede als nicht vergleichbar an.

 

Kommentar von HELFER Rechtsanwälte:

Die Entscheidungen zeigen gerade wegen ihrer ähnlich liegenden Sachverhalte und der zeitlichen Nähe ihrer Verkündung sehr schön, dass in der arbeitsrechtlichen Praxis nie alleine auf den eigentlichen Kündigungsgrund, nämlich das beanstandete Fehlverhalten an sich und seine „Eignung“ als Kündigungsgrund abgestellt werden kann. Gemäß der hierzu bestehenden gesetzlichen Regelung des § 626 Abs. 1 BGB sind insbesondere bei einer fristlosen Kündigung (entsprechend aber auch bei der fristgerechten Kündigung) stets die „Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“, wie es die Vorschrift ausdrücklich vorsieht, zu berücksichtigen. Das lässt den Gerichten einen erheblichen Beurteilungsspielraum, der – wie man sieht – auch am gleichen Gerichtsort häufig zu scheinbar widersprechenden Ergebnissen führen kann. Ein weiterer, und auch im zweiten Fall ausdrücklich berücksichtigter Punkt ist der im Einzelfall verursachte Schaden, der im ersten Fall ca. 330,- €, im zweiten hingegen nur rund 1,30 € betrug. Eine feste und verlässliche Grenze gibt es  in der Rechtsprechung für die Schadenshöhe andererseits nicht.

Hinzu kommen bisweilen auch widersprüchliche Erwägungen. So ist beispielsweise nur schwer nachvollziehbar, warum im zweiten Fall das Fehlverhalten für den Arbeitnehmer einerseits selbst ohne weiteres erkennbar gewesen sein soll, andererseits hingegen eine vorherige Abmahnung ihn gerade hiervon hätte abhalten sollen.

All diese Umstände machen den Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens häufig genug nur schwer voraussehbar. Gelernt werden kann gerade auf Arbeitgeberseite aus solchen Entscheidungen trotzdem: So sollte bei Tätigkeiten im Umgang mit Geld (oder wie hier mit geldähnlichen Werten), die im Vertrauensbereich angesiedelt sind, auf entsprechend dokumentierte Schulungen und Verhaltenshinweise schon bei Antritt der Tätigkeit nicht verzichtet werden. (AH)

 

 

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