Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hat in einer aktuellen Entscheidung vom 28. April 2011 (8 Sa 408/11) die Anforderungen an die Betriebsratsanhörung in den ersten Monaten des Bestehens eines Ausbildungs-, bzw. Arbeitsverhältnisses konkretisiert.
Der Arbeitgeber hatte einem Auszubildenden innerhalb der vereinbarten Probezeit von vier Monaten gekündigt. Da eine Kündigung in dieser Zeit regelmäßig keiner Begründung bedarf, stützte der Auszubildende sich im Kündigungsschutzprozess vor allem auf das Argument, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam (§ 102 Abs. 1 S. 3 Betriebsverfassungsgesetz). Der Arbeitgeber hatte dem Betriebsrat zunächst mündlich mitgeteilt, der Kläger habe einen „militärischen Tonfall“, „arbeite lieber alleine“ und sei insgesamt „zu gesetzt“ für sein Alter. Die im Anschluss eingereichte schriftliche Anhörung enthielt nur die Mitteilung, der Auszubildende habe „den Anforderungen nicht entsprochen“.
Das LAG hielt die dem Betriebsrat mitgeteilten Informationen im Ergebnis für ausreichend. Das Gericht befand zwar die schriftliche Mitteilung als pauschal und unzureichend. Die vorab und im Rahmen des Anhörungsverfahren ergänzend abgegebenen zusätzlichen Erklärungen seien jedoch hinreichend konkret, um den Kündigungsentschluss zu verdeutlichen. Die Kündigung sei daher nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.
Kommentar von HELFER Rechtsanwälte:
Die Entscheidung berührt einen der empfindlichsten und fehlerträchtigsten Punkte im Kündigungsrecht: Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe für eine beabsichtigte Kündigung vorab mitzuteilen und ihn hierzu anzuhören. Dabei führt nicht nur das völlige Unterlassen der Betriebsratsanhörung zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern auch die fehlerhafte Unterrichtung. In Betrieben mit Betriebsrat ist dies nach unserer Erfahrung einer der häufigsten Gründe für die Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung.
Die Strenge dieser Vorschriften führt vor allem immer wieder in Fällen zu arbeitgeberseitigem Erstaunen, in denen der Arbeitgeber eigentlich keinen Kündigungsgrund benötigt, also innerhalb der ersten sechs Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses oder – wie hier – im Rahmen einer zulässigen Probezeit bei Ausbildungsverhältnissen. Relativ weit verbreitet ist sogar der Irrtum, in derartigen Fällen bedürfe es überhaupt keiner Anhörung.
Dies ist jedoch falsch. Der Arbeitgeber kommt – wie das LAG im Einklang mit der ganz überwiegenden Rechtsprechung urteilte – seiner Unterrichtungspflicht nur nach, wenn er dem Betriebsrat auch seine subjektiven Motive richtig und vollständig mitteilt. Die in vielen Fällen zu lesende Floskel, der Arbeitnehmer „entspreche subjektiv nicht den Erwartungen“ des Arbeitgebers, ist pauschal und nicht ausreichend.
Die Konsequenzen dieses Irrtum haben oft weit reichende Folgen: Wird der Arbeitgeber im Rahmen eines sich an die Kündigung anschließenden Kündigungsschutzverfahrens auf sein Versäumnis aufmerksam gemacht, ist es häufig für eine Wiederholung der Kündigung mit richtiger Anhörung zu spät, weil mittlerweile – z. B. wegen Ablaufs der sechsmonatigen Frist – Kündigungsschutz besteht (§ 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz), ein von der Rechtsprechung anerkannter betriebs-, verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund aber nicht vorliegt. In diesem Fall kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht mehr beenden oder er muss im Vergleichsweg eine Beendigung herbeiführen, was teuer werden kann, weil sich der Arbeitnehmer nur gegen Zahlung einer Abfindung hierauf einlassen wird.